Dienstag, 10. April 2012

Echt Grass

Hat nur was mit Politik zu tun, mein Tagesthema, nix mit Geld (nur insofern, als mir mal ein signiertes Grass-Buch bei Amazon 10€ einbrachte, was aber lange vor dem Millionenprojekt war).

Und wer es nicht lesen mag, der lasse es bleiben - wer anderer Ansicht ist als ich, mag sich gerne äußern, von mir aber bitte keine Einsicht verlangen und glauben, mich von meiner Ansicht abbringen zu können - denn im Zentrum meiner Gedanken steht die Interpretation eines Textes, der behauptet, ein Gedicht zu sein, der dies aber nicht ist und der deswegen noch viel einfach textimmanent zu deuten ist als alles anderen Texte, die die selbe Vorgabe mindestens ebensowenig erfüllen.
Echt Grass - weil er mal wieder den Mund aufmacht und spaltet.
Echt Grass, weil Grass schockt - mal zu Selbstpromotionzwecken, mal, weil er wirklich was zu sagen hat.
Echt Grass einfach - so war er wohl schon immer, so wird er wohl auch die kommenden zwanzig Jahre seines ihm vergönnten Lebens bleiben.

Aber ich frage mich seit Tagen, weswegen es problematisch ist (abgesehen von der deutschen Geschichte), ein außenpolitisches Manöver einer sich selbst als demokratisch bezeichnenden Regierung in einem öffentlichen Medium eines anderen Landes zu kritisieren? (nicht nur ich - und andere haben eine Antwort: SZ zu GG
Die Gleichsetzung von "Antisemitismus" mit der Kritik an der Israelischen Regierung in Bezug auf deren außenpolitisches Gebaren zeigt meiner Ansicht nach den Wunsch nach einem Freibrief für jedwedes militärisches, außen- und innenpoltisches Handeln, der sich in der Geschichte begründet sieht - SO kann man aber keine zukunftsträchtige Staatenpolitik machen. SO kann man nciht zu einer Überwindung der geschichte beitragen, SO kann man nciht die eigenen probleme glaubhaft lösen.
Ganz abgesehen davon, dass Israel als Staat (NICHT "die Israelis", keinesfalls "die Juden" - denn in Israel gibt es ja durchaus auch Christen, Moslems und weitere Glaubensrichtungen - wie die der unzähligen Gastarbeiter aus Thailand, den Philippinen, China....) nur dann glaubwürdig ist, wenn es die gleichen Rechte und Pflichten hat wie alle anderen Staaten.
Was das Recht all derjenigen angeht, die in Gaza oder der Westbank leben, wird da meiner persönlichen Ansicht nach im direkten Kontakt sehr oft sehr sanft mit der israelischen Regierung umgegangen....
Aber nochmal zu Grass im Zitat : "Es ist antisemitisch, darauf zu bestehen, dass Israel in Deutschland nicht kritisiert werden darf", sagte Avnery. Israel wolle mit denselben Maßstäben wie andere Staaten gemessen werden. 
Danke, Herr Avnery - ganz meine Meinung!
Wenn ich Grass richtig verstanden habe, geht es ihm um Kritik an einem Verhalten, das ihm unrechtmäßig scheint - wer will ihm dies verbieten? Wer glaubt, das Recht zu haben, ihm den Mund zu verbieten?  Warum? Ist Zensur das Mittel der Wahl? Ist Wegschauen (weiterhin) auf der Grundlage einmal begangenen Unrechts das Mittel der Wahl? Wird Unrecht zu Recht, wenn es in abgewandelter Form wiederholt wird?

Es steht in dem Text NICHTS, was daran im Sinne der Menschlichkeit und des unterstellten Antisemitismus kritisierbar ist - der einzige Grund, den ich mir denken kann, warum so heftig reagiert wird, ist, dass da einer einen Finger in eine nie geschlossene Wunde legte. Und er weiß, sie wird weder heilen, noch verbunden werden - sie wird bleiben und vielleicht als Sepsis den ganzen Weltkörper vergiften. Auweia, jetzt muss ich aufpassen, die Neonazis verwenden ja auch Körpermetaphern....

WIRKLICH zum Schreien ist aber, dass sich jetzt hohlköpfige Antisemiten sowohl Grass als auch Gaucks anstehende Israelreise zunutze machen, um ihre menschenverachtende Ansicht im netz zu verbreiten - ätzend! Keine Vernunft mehr in diesem Land....

WAS GESAGT WERDEN MUSS

„Warum schweige ich, verschweige zu lange, was offensichtlich ist und in Planspielen geübt wurde, an deren Ende als Überlebende wir allenfalls Fußnoten sind.

Es ist das behauptete Recht auf den Erstschlag, der das von einem Maulhelden unterjochte und zum organisierten Jubel gelenkte iranische Volk auslöschen könnte, weil in dessen Machtbereich der Bau einer Atombombe vermutet wird.

Doch warum untersage ich mir, jenes andere Land beim Namen zu nennen, in dem seit Jahren – wenn auch geheimgehalten – ein wachsend nukleares Potential verfügbar aber außer Kontrolle, weil keiner Prüfung zugänglich ist?
Das allgemeine Verschweigen dieses Tatbestandes, dem sich mein Schweigen untergeordnet hat, empfinde ich als belastende Lüge und Zwang, der Strafe in Aussicht stellt, sobald er mißachtet wird; das Verdikt „Antisemitismus“ ist geläufig.
Jetzt aber, weil aus meinem Land, das von ureigenen Verbrechen, die ohne Vergleich sind, Mal um Mal eingeholt und zur Rede gestellt wird, wiederum und rein geschäftsmäßig, wenn auch mit flinker Lippe als Wiedergutmachung deklariert, ein weiteres U-Boot nach Israel geliefert werden soll, dessen Spezialität darin besteht, allesvernichtende Sprengköpfe dorthin lenken zu können, wo die Existenz einer einzigen Atombombe unbewiesen ist, doch als Befürchtung von Beweiskraft sein will, sage ich, was gesagt werden muß.
Warum aber schwieg ich bislang? Weil ich meinte, meine Herkunft, die von nie zu tilgendem Makel behaftet ist, verbiete, diese Tatsache als ausgesprochene Wahrheit dem Land Israel, dem ich verbunden bin und bleiben will, zuzumuten.

Warum sage ich jetzt erst, gealtert und mit letzter Tinte: Die Atommacht Israel gefährdet den ohnehin brüchigen Weltfrieden? Weil gesagt werden muß, was schon morgen zu spät sein könnte; auch weil wir – als Deutsche belastet genug – Zulieferer eines Verbrechens werden könnten, das voraussehbar ist, weshalb unsere Mitschuld durch keine der üblichen Ausreden zu tilgen wäre.

Und zugegeben: ich schweige nicht mehr, weil ich der Heuchelei des Westens überdrüssig bin; zudem ist zu hoffen, es mögen sich viele vom Schweigen befreien, den Verursacher der erkennbaren Gefahr zum Verzicht auf Gewalt auffordern und gleichfalls darauf bestehen, daß eine unbehinderte und permanente Kontrolle des israelischen atomaren Potentials und der iranischen Atomanlagen durch eine internationale Instanz von den Regierungen beider Länder zugelassen wird.

Nur so ist allen, den Israelis und Palästinensern, mehr noch, allen Menschen, die in dieser vom Wahn okkupierten Region dicht bei dicht verfeindet leben und letztlich auch uns zu helfen.“
...
„Was gesagt werden muss“: Das umstrittene Israel-Gedicht von Günter Grass im Wortlaut - weiter lesen auf FOCUS Online: http://www.focus.de/kultur/buecher/was-gesagt-werden-muss-das-umstrittene-gedicht-von-guenter-grass-im-wortlaut_aid_732817.html

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