Altes
Handwerk wie das Weißgerben begegnet einem heuer kaum noch im Alltag. Kaum
jemanden kann man danach fragen. Umso wichtiger, diese Kenntnisse am Leben zu
erhalten – weswegen ich besonders dankbar bin, dass ich bei Frank Petersen aus
Dadow Einblick in diese alte Kunst der Werterhaltung gewinnen konnte.
Der Weißgerber - ein Werterhalter
Frank
hatte hierzu Felle und Leder in unterschiedlichsten pathologischen Stadien
vorbereitet, um alle Schritte der Kunst des Weißgerbens üben zu können.
Eigentlich
ist das Weißgerben heutzutage die klassische Umsetzung des Gedankens, aus Müll
Geld (oder wenigstens Werte) zu machen, denn die meisten Felle, die so
anfallen, werden als Abfall entsorgt oder – dann läuft es schon gut in der
Werterhaltung – als Dünger im Feld- oder Gartenbau vergraben.
Alles
in allem war es mal wieder ein Schritt auf dem Weg zu meiner ersten Million,
der mich dazu brachte, bei Frank Petersen einen Seminartermin zu buchen. Frank
traf ich auf dem Biosphärenmarkt in Zarrentin am Schaalsee, wo er jeden ersten
Sonntag im Monat gemeinsam mit seiner Frau orientalische Fladen (eigentlich ist
er Islamwissenschaftler), hausgemachte Seifen und eben wohlriechende, weiche
Felle verkauft. Mein Interesse war geweckt, wurde doch im Selbstversorgerforum
bei Facebook (spannende Webseite hierzu: www.die-selbstversorger.de) darüber
geklagt, wie bedauerlich es sei, Felle stets vernichten zu müssen, weil das
Gerben so teuer ist....aus müll zu Geld, nichts leichter als das, sprach ich zu mir selbst...
Das Weißgerben
Das
Weißgerben ist eine von vieleln Möglichkeiten, Häute und Felle haltbar zu
machen. Neben der Chromgerbung ist es die ungefährliche bio-chemische
Variante. Daneben gibt es noch die vegetabile Gerbung und das Hirngerben (ja,
wie der Name schon sagt: Hirnmasse spielt dabei eine Rolle!).
Tja,
welche Art auch immer: Gerben hat mit toter Materie zu tun und ist ein
Handwerk, war ein mittelalterliches Handwerk der gesellschaftlichen
Randexistenzen....
.....
und was dann kam, war wirklich das, was man auf dem harten Weg vom Müll zum
Gewinn erwartet:
- stinkende Tierhäute (Reh, Nutria, Marder) – leider statt 12 Stunden schon ganze 48 eingeweicht und entsprechend müffelnd
- echte Handarbeit ( = Wertarbeit!)
- ein stolz machendes Resultat
14 Tage und 11 Schritte: Weißgerben für Anfänger
Das
Ganze wurde dann in nachfolgenden elf Schritten verarbeitet:
- Die
Häute werden (wurden in dem Fall) vorbereitend so frisch wie möglich (!)
gewässert. Die Hautschichhten quellen auf und lösen sich so von der Schwarte
(erster Tag)
- Anschließend
(und das ist eigentlich der ekligste Teil) werden sie auf dem Gerberbaum
entfleischt – dies geschieht mittels eines Ziehmessers und sehr sorgfältig,
denn jeder noch für Bakterien lukrative Geweberest kann einem die Garbe, also
die Gerbbrühe, versauen.
- Um
zu sehen, wie gelungen das Werk ist, wird das Fell gespült und gewaschen, was
jetzt mit einer sanften Lauge geschehen kann (Neutralseife)
- Anschließend
setzte man die Garbe an. In diese, bestehend aus Wasser, Kaliumaluminiumsulfat
(Alaun) und Natriumchloridd Kochsalz, werden die Felle dann bedeckt gelegt.
Durch de hohen Mineralgehalt diffundiert das Salz in die Zellen, die wiederum
platzen und das organische Wasser vollends ausscheiden. Außerdem zerlegt die
Garbe die Proteine in der Haut, was sowohl deren Stabilität als auch ihren
Nahrungswert negativ beeinflusst. Sprich: das Ganze gammelt nicht mehr und wird
bei entsprechender Bearbeitung weich. (10 Tage)
- Nach
zehn Tagen wird das Fell mitsamt Leder aus der Garbe gehoben und gespült, bis
möglichst keine Salzkristalle mehr vorhanden sind.
- Dann
trocknet das Fell etwa ein bis zwei Tage.
- In
noch ausreichend feuchtem Zustand wird es mit Fett eingerieben – auf der
Lederseite. Hierzu eignen sich Glyzerin, aber auch pflanzlich Fette. Der
Trockenprozess geht weiter, bis das Leder beginnt, hart zu werden, aber noch
Flexibilität besitzt. (zwei Tage)
- Jetzt
kommt am letzten Tag der eigentlich aufwändige Arbeitsschritt, das Stollen und
Strecken. Hierzu wird das Präparat mit der Lederseite nach unten auf einem
sogenannten Stollmond, einer ausgedienten und fixierten Axt oder einer stumpfen
Sense engwinklig hin und her gezogen, was das Leder wieder weich werden lässt,
weil die physikalische Einwirkung die in der Haut befindlichen Eiweiße, die
Kollagene, aufbricht. So entsteht eine neue Textur des Leders – es wird weich
und geschmeidg und bleibt dennoch haltbar und stabil.
- Nach
dem Stollen wird das Leder mittels eines Schleifsteins oder eines Schwing- oder
Excenterschleifers geschliffen,
- die
Kanten werden beschnitten und abschließend wird das Fell nochmals
- gekämmt
und gesäubert.
Und dann hat man, nach etwa insgesamt drei Arbeitsstunden
für ein mittelgroßes Ziegenfell und 14 Tagen ein natürlich gegerbtes, absolut
einmaliges und im Grunde unbezahlbares Fellchen – das man naürlich nach
Belieben weiterverarbeiten kann.
Das macht dann aber der Kürschner!